Die Entwicklung in Berlin ist bekannt und oft beschrieben. Die Mieten steigen und Menschen werden verdrängt. In Prenzlauer Berg wohnt kaum noch ein_e HartzIV-Empfänger_in, Friedrichshain liegt dazwischen und nun ist eben Neukölln an der Reihe.
In die Betrachtung dieser neoliberalen Stadtumstrukturierung mischt sich aber auch immer ein gutes Stück Resignation und Ohnmacht. „So ist sie eben die Gentrifizierung, da kann nichts gegen getan werden.“ Als Gegenstrategie gegen die erkannten Schwierigkeiten der Aufwertung wird zum Teil eine Abwertung vorgeschlagen: Lidl-Tüten aus dem Fenster hängen oder schlecht angezogen durch die Straßen laufen.
Das soll dann die „Yuppies“ aus „unserem“ Kiez raushalten, wie die Vögel von der Vogelscheuche fliehen.
Die herrschenden Parteien haben sowieso verstanden, dass die Zeiten des Wohlfahrtsstaates vorbei sind. Sozialer Wohnungsbau oder eine Regulierung des Immobilienmarktes sind Instrumente vergangener Zeiten, heutige Politik streitet höchtens noch über den neuen Polizeipräsidenten oder ob die Luxussanierung ökologisch sein soll.
Die allgemeine Tristesse wird allerdings durchbrochen durch eine langsam Fahrt aufnehmende Bewegung gegen steigende Mieten und Verdränung. In immer mehr Bezirken bilden sich Kiez-Initiativen, am Tag der Veröffentlichung des Mietspiegels kam es zu vielfältigen Aktionen und Entwicklung von Stadt wird zumindest thematisiert.
Dabei muss es darum gehen, die grundlegenden Ursachen der Entwicklung zu enttarnen. Nicht der spanische Praktikant oder die schwäbische Künstlerin, sondern Privateigentum an Wohnungen und ihre Verteilung über den Markt sind ausschlaggebend für die derzeitige Situation.
Wenn keine neuen bezahlbaren Wohnungen mehr gebaut werden können, weil dies für Investorengruppen nicht mehr rentabel ist, dann werden in Berlin eben keine bezahlbaren Wohnungen mehr gebaut. Die herrschenden Parteien schauen staunend auf diese Entwicklung.
Wir hoffen es dauert nicht mehr lange, bis es auch in Berlin eine ähnlich große Bewegung gibt wie in Tel Aviv, die die Wohnungsfrage stellt. Dort demonstrierten in den letzten Tagen Tausende gegen wachsende Armut und Verdrängung. Währenddesssen verhinderten die Demonstrierenden in Spanien schon 60 Zwangsräumungen.
Der Zerfall sozialer Infrastruktur ist also nicht nur ein lokales Problem von Nordneukölln oder Berlin, sondern Ausdruck einer Verschärfung der sozialen Gegensätze, weltweit.