Am 3. September organisiert ein breites Bündnis zwischen Kiezinitiativen und
Gruppen der linken Szene eine Demonstration gegen steigende Mieten, Armut und
Verdrängung. Die Demonstration will deutlich machen, dass von den Parteien keine
Veränderung der sich verschärfenden Situation zu erwarten ist, ganz im Gegenteil,
die nötige Veränderung muss gegen die herrschende Politik durchgesetzt und weiter
getrieben werden. Die Demonstration ist ein Ausdruck der von Mietsteigerungen
Betroffenen und deren Organisierung in den Kiezinitiativen.

Mein Kiez
Die Verhältnisse vor der eigenen Haustür ändern sich, die Kämpfe gegen diese
scheinen zunächst auf den eigenen Kiez begrenzt zu sein. Der Protest hat häufig
einen subkulturellen Ursprung, die Entwicklung des Kiezes in eine andere
sozio-kulturelle Richtung wird beklagt. Neue Kneipen, teure Autos und schicke
Kleidung sind die Erscheinungsformen der neuen Milieus, die zunehmend unter dem
Stichwort Gentrifizierung als schlecht und bekämpfenswert erachtet werden. Allzu oft
bleibt die Kritik an dieser Oberfläche stehen.
Miete und die Möglichkeit der Intervention
Es ist somit eine Weiterentwicklung, wenn die stattfindende Demonstration keine
gegen Gentrifizierung, sondern gegen (steigende) Mieten und
Verdrängung ist. Der Versuch Miete als solches stärker zu thematisieren, entspricht
ihrer Rolle in städtischen Verhältnissen, denn sie ist eine zentrale ökonomische
Kategorie in der Stadt. Außerdem drängt sie sich durch die dramatische
Mietpreisentwicklung der letzten Jahre in Berlin auf und hat dadurch im linken
Diskurs an Bedeutung gewonnen wie keine andere Kategorie, Arbeit eingeschlossen.
Denn während Arbeit stärker durch bürgerliche Kategorien erklärt wird (niedriger
Lohn wegen Globalisierung, Standort Deutschland, …), sagt die bürgerliche Ideologie
recht wenig dazu, warum die Mieten eigentlich immer weiter steigen müssen.
Da es im Feld der Miete keine der Gewerkschaft vergleichbare Institution gibt, die
die Rechte der Betroffenen vertritt und sich und die Interessen der Betroffenen
gleichzeitig dem kapitalistischen
Normalzustand unterwirft, ist dieses Feld also freier, diskursiv weniger besetzt und
weniger erklärt. Wenn also Studierende, Arbeitslose und prekär Beschäftigte sich von
Betriebskämpfen abwenden, beginnt das Mietverhältnisse eine neue zentrale Rolle
einzunehmen in der Möglichkeit, die gesellschaftlichen Zustände grundlegend zu
politisieren und zu kritisieren. Denn es erscheint derzeit zunehmend so, dass das
was uns vereint weniger die Kategorie der Arbeit ist, als die der Miete.

Die konkurierenden Städte

Dabei wird schnell klar, dass sich steigende Mieten nicht ausreichend aus lokalen
Gründen, seien sie politisch oder ökonomisch, erklären lassen. Verschärfte
„Lebenhaltungskosten“ treffen die Metropolen nicht nur in Hamburg und Berlin,
steigende Mieten treffen die Menschen weltweit, seitdem die staatliche Politik in
den letzten Jahrzehnten die Doktrin der Marktförmigkeit totalisiert hat. Die
Zuspitzung findet also in einem internationalen Konkurrenzfeld der städtischen
Standorte statt, die in ihrem scheinbaren Zwang nach einem handlungsfähigen Haushalt
Kostensenkung und Einnahmenerhöhungen verpflichtet sind. Aber nicht nur in
Deutschland versagt die ideologische Betreuung, der Glaube an das Paradigma der
Alternativlosigkeit nimmt stetig ab. Die dadurch ermöglichte Betreibung der
Politisierung der eigenen Stellung rührt letztlich an die Grundlegung der
Eigentumsverhältnisse als solche und exemplifiziert die antagonistische
Grundstruktur marktförmiger Vergesellschaftung anhand des Verhältnisses zwischen
Mietenden und Vermietenden.
Der Kampf um die Blosslegung dieser Strukturen kann und muss einen „internationalen“
Bezug entwickeln, beginnt aber unmittelbar vor der eigenen Haustür.
Internetseite der Demonstration