Wählen wir das schöne Leben!

Ein Redebeitrag auf der Demonstration zur griechischen Wahl von …nevergoinghome

Es ist schwierig zu sagen, was wir an der Scheiße besonders scheiße finden. Wenn in Griechenland am 6. Mai zur Wahl aufgerufen wird, kann man sich eigentlich nur der Fäkalsprache bedienen. Anstatt dass sich konkrete Menschen die Fragen stellen können, „Wie wollen wir leben und wirtschaften?“, sind die Menschen in Griechenland aufgefordert, zwischen schlimm und schlimmer zu wählen. Doch die Sparpolitik in Griechenland ist für die nächsten Jahrzehnte festgeschrieben, egal, welche Partei die Regierung stellen wird. Auch ein Wahlboykott lässt nur auf Scheiße hoffen: Schließlich ist das Schlimmste was droht eine rassistische und nationalistische Mehrheit. Wenn über die Zukunft Griechenlands mit Wahlen etwas entschieden werden kann, dann, so scheint es, in Frankreich.

Doch nur weil sich in Frankreich zwei klarere Alternativen der zukünftigen europäischen Krisenbewältigungspolitik zur Wahl stellen, heißt das noch lange nicht, dass dasjenige, was wirklich entscheidend wäre, zur Wahl stünde. Wirklich entscheidend wäre nämlich, wie wir denn leben, wie wir wirtschaften, wie wir unsere individuelle und gesellschaftliche Reproduktion organisieren wollen. Doch der Rahmen dafür ist schon gesteckt – die Alternativen, die zu wählen sind, sind Alternativen innerhalb des kapitalistischen Rahmens. Sowohl Hollande wie auch Sarkozy treten mit dem Ziel an, den Standort Frankreich und genau zu diesem Zweck auch den Standort Europa für die Zukunft fit zu machen. Wie das geschehen soll, darüber sind sie sich uneins. Doch das Ziel, eben jene Standortstärkung, lässt sich nicht abwählen. Mit keiner Partei. Und dieses Standortinteresse, um das es da alleine geht, ist eben nicht identisch mit dem Interesse der meisten, die diesen Standort bewohnen. Diese Differenz zeigt sich gerade besonders krass in Griechenland.

Alltag als Zumutung

Für die deutsche Bevölkerung allerdings scheint sich die Differenz zwischen dem eigenen Interesse am schönen Leben und dem Interesse des Standorts gar nicht zu zeigen, obwohl sie auch hier mehr als augenfällig ist. Weder ein Gefühl der Ohnmacht noch zunehmende Proteste sind hierzulande spürbar. Dies alleine deutet auf die hegemoniale Stellung Deutschlands innerhalb der EU. In Deutschland braucht man keine Angst haben, denn der Staat wird’s schon richten. Und das alles trotz Hartz IV und prekären Arbeitsverhältnissen, trotz der täglichen Anforderung in der geringen Freizeit noch für das eigene Leben und das der Angehörigen, die Unterstützung brauchen, zu sorgen – eine doppelte und dreifache Belastung, die nach wie vor mehrheitlich Frauen übernehmen müssen. Auch die Sorge um sich allein unterliegt steigenden Anforderungen: Gesundheit, Fitness, Ernährung, work-life-balance: Die sogenannte Freizeit ist eine Daueranstrengung zur Erhaltung und Steigerung des eigenen Werts auf dem Arbeitsmarkt. Entsprechende Appelle tönen von allen Seiten – und ihnen nachzukommen, erzeugt allein ein Gefühl von Wohlbefinden. Und in Deutschland glaubt man immer noch, diese Menge an Zumutungen, die man Alltag nennt, seien im eigenen Interesse, weil sie eben Deutschland nach vorne bringen.
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