Soliparty für No-Border-Camp

Soliparty

Diesen Sommer fand in Siva Reka, Bulgarien ein No-Border-Camp statt. Hintergrund ist die veränderte politische Situation durch die Verschiebung der EU-Außengrenze und die bulgarischen Bemühungen auch dem Schengener Abkommen beizutreten. Um den europäischen Sicherheitsansprüchen zu genügen, ist bereits jetzt die technologische und personelle Aufrüstung der Grenze und der dazugehörigen Infrastruktur zu erkennen.
Während des Camps fanden dabei vielfältige Aktionen statt, mit denen die europäische Grenz- und Migrationspolitik kritisiert wurde. Ziel war es dabei die Folgen und Auswirkungen aufzuzeigen und die in der Grenzregion lebenden Menschen für das Thema zu sensibilisieren und gleichzeitig antirassistische Strukturen in Südosteuropa auszuweiten und zu stärken,um gemeinsam den Kampf gegen das europäische Grenzregime und für globale Bewegungsfreiheit zu führen.
Dieser Kampf findet dabei nicht nur an den europäischen Außengrenzen statt, sondern überall. Denn die Grenzen sind fließend und der Ausdruck einer europäischen Grenz- und Migrationspolitik lässt sich sowohl diesseits als auch jenseits der Demarkationslinien finden. Um diesen Prozessen weiter entgegen zu wirken braucht es eine emanzipatorische, antirassistische Bewegung und das No-Border-Network wird mit weiteren Camps an den Hotspots europäischer Migrationspolitik Teil dieser Bewegung sein. Bewegungen brauchen Geld und Geld gibt es durch Bewegungen.

Aufruf zur Demo am 3.September unter dem Motto „Mietenstopp“

Am 3. September organisiert ein breites Bündnis zwischen Kiezinitiativen und
Gruppen der linken Szene eine Demonstration gegen steigende Mieten, Armut und
Verdrängung. Die Demonstration will deutlich machen, dass von den Parteien keine
Veränderung der sich verschärfenden Situation zu erwarten ist, ganz im Gegenteil,
die nötige Veränderung muss gegen die herrschende Politik durchgesetzt und weiter
getrieben werden. Die Demonstration ist ein Ausdruck der von Mietsteigerungen
Betroffenen und deren Organisierung in den Kiezinitiativen.
Continue reading „Aufruf zur Demo am 3.September unter dem Motto „Mietenstopp““

Aufruf zur Demo am 3.September unter dem Motto „Mietenstopp“

Am 3. September organisiert ein breites Bündnis zwischen Kiezinitiativen und
Gruppen der linken Szene eine Demonstration gegen steigende Mieten, Armut und
Verdrängung. Die Demonstration will deutlich machen, dass von den Parteien keine
Veränderung der sich verschärfenden Situation zu erwarten ist, ganz im Gegenteil,
die nötige Veränderung muss gegen die herrschende Politik durchgesetzt und weiter
getrieben werden. Die Demonstration ist ein Ausdruck der von Mietsteigerungen
Betroffenen und deren Organisierung in den Kiezinitiativen.
Continue reading „Aufruf zur Demo am 3.September unter dem Motto „Mietenstopp““

150 Leute bei Demonstration

Trotz sehr schlechtem Wetter, sprich Dauerregen, waren heute ca. 150 Menschen bei der Demonstration gegen Mieten und Verdrängung. Es wurden Redebeiträge vom Kiezforum Rixdorf, von der Schiller-Kiez-Ini, von der Initiative Anti-Gen, von den ehemaligen Besetzer_innen der Schlesischen Straße 25 und von einem Genossen aus Tel Aviv verlesen.
Es kam zu keinen Zwischenfällen. Viele Anwohner_innen drückten ihre Solidarität mit der Demonstration aus.

Demonstration 29.7.

Beyond This City Bild 3

Die Entwicklung in Berlin ist bekannt und oft beschrieben. Die Mieten steigen und Menschen werden verdrängt. In Prenzlauer Berg wohnt kaum noch ein_e HartzIV-Empfänger_in, Friedrichshain liegt dazwischen und nun ist eben Neukölln an der Reihe.
In die Betrachtung dieser neoliberalen Stadtumstrukturierung mischt sich aber auch immer ein gutes Stück Resignation und Ohnmacht. „So ist sie eben die Gentrifizierung, da kann nichts gegen getan werden.“ Als Gegenstrategie gegen die erkannten Schwierigkeiten der Aufwertung wird zum Teil eine Abwertung vorgeschlagen: Lidl-Tüten aus dem Fenster hängen oder schlecht angezogen durch die Straßen laufen.
Das soll dann die „Yuppies“ aus „unserem“ Kiez raushalten, wie die Vögel von der Vogelscheuche fliehen.
Die herrschenden Parteien haben sowieso verstanden, dass die Zeiten des Wohlfahrtsstaates vorbei sind. Sozialer Wohnungsbau oder eine Regulierung des Immobilienmarktes sind Instrumente vergangener Zeiten, heutige Politik streitet höchtens noch über den neuen Polizeipräsidenten oder ob die Luxussanierung ökologisch sein soll.
Die allgemeine Tristesse wird allerdings durchbrochen durch eine langsam Fahrt aufnehmende Bewegung gegen steigende Mieten und Verdränung. In immer mehr Bezirken bilden sich Kiez-Initiativen, am Tag der Veröffentlichung des Mietspiegels kam es zu vielfältigen Aktionen und Entwicklung von Stadt wird zumindest thematisiert.
Dabei muss es darum gehen, die grundlegenden Ursachen der Entwicklung zu enttarnen. Nicht der spanische Praktikant oder die schwäbische Künstlerin, sondern Privateigentum an Wohnungen und ihre Verteilung über den Markt sind ausschlaggebend für die derzeitige Situation.
Wenn keine neuen bezahlbaren Wohnungen mehr gebaut werden können, weil dies für Investorengruppen nicht mehr rentabel ist, dann werden in Berlin eben keine bezahlbaren Wohnungen mehr gebaut. Die herrschenden Parteien schauen staunend auf diese Entwicklung.
Wir hoffen es dauert nicht mehr lange, bis es auch in Berlin eine ähnlich große Bewegung gibt wie in Tel Aviv, die die Wohnungsfrage stellt. Dort demonstrierten in den letzten Tagen Tausende gegen wachsende Armut und Verdrängung. Währenddesssen verhinderten die Demonstrierenden in Spanien schon 60 Zwangsräumungen.
Der Zerfall sozialer Infrastruktur ist also nicht nur ein lokales Problem von Nordneukölln oder Berlin, sondern Ausdruck einer Verschärfung der sozialen Gegensätze, weltweit.

Material

Dieser Post zeigt den Text des Flyers zur Demo. Wer den ganzen Flyer möchte, findet ihn auf der Seite „Material“.
Die Mieten explodieren. Bezahlbarer Wohnraum wird zu einer Antiquität, die Wohnungssuche zu einer andauernden Herausforderung. Immer mehr Menschen werden aus ihrer angestammten Wohnumgebung hinausgedrängt. Die Wohnungen in Nord-Neukölln sind in den letzten drei Jahren um 23 Prozent teurer geworden.
Der frische Wind des Wettbewerbs trifft auf die Stadt und die sozialen Gegensätze verschärfen sich. Zu glauben, die sogenannte Gentrifizierung würde einfach irgendwann aufhören, ist illusorisch. Die Mieten steigen munter in der ganzen Stadt, egal ob in Hellersdorf, Wedding, Neukölln oder Charlottenburg.
Es ist nicht die Schuld von angeblichen »Yuppies« oder »Schwaben«, dass »billige« Viertel »aufgewertet« werden, sondern hier wird aus Wohnen Geld gemacht — kein Skandal im Kapitalismus, sondern Normalzustand. Die Parteien unterwerfen sich diesem Normalzustand, sie sorgen sich um die Eigentumsrechte der Besitzenden. Berlin soll im Wettbewerb um Investitionen richtig nach vorne gebracht werden.
Wir wollen diese Stadt überwinden, die Verlierer_innen und Gewinner_innen. Wir wollen eine Stadt, in der nicht die Gesetze von Markt und Profit, sondern die Menschen bestimmen wie sich die Dinge entwickeln. Das bleibt lediglich eine Parole solange wir uns nicht zusammenschließen und Protest auf die Straße tragen. Geht zu Kiez-Versammlungen und redet mit euren Freund_innen !

Artikel zur Demo

Auf Indymedia wurde folgender Beitrag zur Demo veröffentlicht:
Die Politik sieht Berlin im Aufschwung und Investoren schauen mit Begeisterung auf den Immobiliensektor.Der grundsätzliche Widerspruch zwischen Interessen der Kapitalverwertung und den Bedürfnissen der Menschen findet derzeit ein neues Feld, Mieten. Das Mietverhältnis wird zu einem Feld von Ausbeutung und Verwertung und der allgemeinen Logik betriebswirtschaftlicher Berechnung angepasst.

Miete hoch

Der vor wenigen Wochen veröffentlichte Mietspiegel hat es bestätigt: Die Mieten steigen in Berlin rasant, besonders stark in der Innenstadt. Das hat massive Auswirkungen, immer mehr Menschen müssen umziehen, einige Bezirke wie Prenzlauer Berg sind schon Hartz IV frei. Die Veränderung der Stadt ist für alle Milieus spürbar. Eckkneipen schließen, Strandbars verschwinden, die Räume für Subkulturen werden enger. Gleichzeitig wird die Wohnungssuche immer schwieriger, die Kosten für ein Dach über dem Kopf immer höher. Diese Verschlechterungen der Lebensverhältnisse sind einerseits Folge ökonomischer Verwertungsprozesse, andererseits politisch gewollt und gesteuert. Der grundsätzliche Widerspruch zwischen Interessen der Kapitalverwertung und den Bedürfnissen der Menschen findet derzeit ein neues Feld, Mieten. Das Mietverhältnis wird zu einem Feld von Ausbeutung und Verwertung und der allgemeinen Logik betriebswirtschaftlicher Berechnung angepasst.

Daumen hoch

Die derzeitige Form politischer Verwaltung betrachtet diese Entwicklungen als notwendig und freut sich über den „Boom“ Berlins in diesem Sektor. Die Politik verschiebt ihr Aufgabenfeld von der direkten Bearbeitung sozialer Felder hin zu einer Sorge um den Standort „Stadt“. Es geht darum, ob Berlin attraktiver für Investoren ist als andere Standorte. Denn auch die Politik muss rechnen. Die Stärke des städtischen Haushalt und die Rentabilität der städtischen Ökonomie hängen vom erfolgreichen Bestehen in der Konkurrenz ab. Investor_innenschutz heißt das oberste Credo und mehr Menschen mit höheren Einkommen und weniger Menschen mit geringem Einkommen in der Stadt bedeuten letztlich einen gesünderen Haushalt. Auf dem Weg zu einer wettbewerbsfähigen Stadt werden die Bedingungen also gezielt auf die Interessen wichtiger Kapitalfraktionen hin verändert und reichen Menschen teurer Wohn- und Lebensraum präsentiert. Was der Stadt Geld kostet, aber für sie keinen Nutzen verspricht, wird abgeschafft. Das verkündet Unzufriedenheit der Betroffenen. Die einhergehende Bearbeitung der Massen verschiebt sich dabei von einer kostspieligen Bereitstellungspolitik (Sozialer Wohnungsbau, Schwimmbäder, Bibliotheken und Naherholungsgebiete etc.) hin zu einer subtileren Disziplinierung der Massen, die sich in lokalen Partizipationsmöglichkeiten, sei es im Quartiersmanagement oder bei den prekarisierten Sicherheitsdiensten (Be Quit, Roten Teufel, …) ausdrückt. So sollen im Mauerpark eine private Bürgervereinigung mit Patrouillen und Kontrollen ihr Verkaufsmonopol durchsetzen und abweichendes Verhalten der Parkbesucher_innen verhindern. Die Begründung ist, dass die Polizei zu starke negative Reaktionen hervorrufen würde. Die Partizipation von eifrigen Bürger_innen ist natürlich so lange genehm, wie sie helfen die Rahmenbedingung für den kapitalistischen Normalzustand durchzusetzen.

Wahlkampf

Im beginnenden Wahlkampf versuchen die Parteien sich eifrig als Kämpferinnen gegen steigende Mieten zu positionieren. Das Auseinanderfallen von Lippenbekenntnissen wie dem Wahlspruch der Berliner Grünen „Stadt für alle“ und der erwartbaren Politik ist kein Wunder. Stadt für alle heißt im Übrigen nichts anderes als die bestehenden Verhältnisse weiterzuführen, arm und reich friedlich in einen Kiez zu packen und Toleranz für die kapitalistischen Verhältnisse einzufordern. Diesen Verhältnissen ist die herrschende Politik verpflichtet, deswegen werden Appelle an die Parteien auch bei einer Zuspitzung des Problems höchstens zu kosmetischen Änderungen führen.Die einzige Alternative ist der Aufbau einer Bewegung, die die Stadt selbst in die Hand nimmt. Die Organisierung von unten hat in Berlin in letzter Zeit erste Fortschritte gemacht. Viele neu entstandenen Kiezinitativen rufen am 3. September zu einer große Mietendemo auf, die kurz vor der Wahl die Notwendigkeit einer außerparlamentarischen Bewegung aufzeigen wird. Es wird versucht breite Bevölkerungskreise mit dieser Aktion anzusprechen. Als Mobilisierung für diese Demo findet am 29. Juli eine Demonstration in Neukölln statt.

Demo am 29. Juli

Nach zwei inhaltlichen Veranstaltungen haben wir uns entschlossen eine Demo gegen teure Mieten und Verdrängung in Neukölln zu veranstalten. Sinn und Zweck dieser Demonstration ist zunächst einmal auf die große Mietendemo am 3. September hinzuweisen.
Wir glauben, dass es sinnvoll ist, jenseits von Kiezversammlungen und Diskussionsveranstaltungen „auf der Straße“ präsent zu sein. In Neukölln ist die Entwicklung gerade besonders drängend, die Mieten steigen extrem und die Armut verschärft sich. In der Öffentlichkeit wird das Thema breit diskutiert.
Eine starke und große Widerstandsbewegung ist bisher aber nur in Ansätzen sichtbar. Diese Sichtbarkeit zu verbessern und aufzuzeigen, dass Widerstand gegen die kapitalistische Stadt notwendig und wichtig ist, ist Teil der Mobilisierung für die Demo.

Stadt. Ökonomie. Identität. Politik.

Stadt
_____________________________

Einleitung

Die Beschäftigung mit der Entwicklung der Stadt hat in den letzten Jahren wieder stark zugenommen. Dabei ist es klar, dass die Entwicklung in der Stadt nicht losgelöst von ihrem Kontext gesehen werden kann, sondern eingeordnet ist in eine spezifische Produktionsweise (Kapitalismus) und Organisierung von Politik (demokratischer Staat). Dieser Text stellt einen Versuch dar eine fragmentarische Analyse von „Stadt“ mit einem Fokus auf die Situation in Berlin zu liefern.
In der Stadt bilden sich die gesamtgesellschaftlichen Strukturen und Vorgänge ab. So kann sie einerseits als Epiphänomen betrachtet werden, als Resultat von Wirkungsweisen und Regeln, die heute jedes Verhältnis überall strukturieren, wie zum Beispiel traditionell dem Geflecht von Arbeit und Kapital. In diesem Sinne sind in der Stadt lediglich spezifische Erscheinungsformen und ihre spezifischen ökonomischen Grundlagen zu untersuchen. Der erste Teil des Textes widmet sich somit der historischen Einordnung der heutigen Verhältnisse und der Analyse spezifischer Verwertungsformen in Berlin. Gleichzeitig greift eine Analyse zu kurz und wird falsch, wenn sie den Raum, indem Menschen handeln, quasi ignoriert und kurzerhand zum bloßen By-product erklärt und als Gegenstand des Interesses delegitimiert. Aus dieser Sicht wäre eine Beschäftigung mit Stadt selbst eine Verblendungserzählung, die einen angeblich genuinen Gegenstand erst konstruiert und das „Eigentliche“ verkennt. Dass die Stadt aber gerade als Raum nicht nur Zugrundeliegendes widerspiegelt sondern selbst eigenmächtige Situationen erzeugt, fließt ebenso in die Analyse der Akteure wie auch der Beschäftigung mit Politik und Identitäten ein. Denn es ist gerade für eine Analyse der Vorgänge in der kapitalistischen Stadt wichtig zu erkennen, dass viele Prozesse zwar durch die ökonomischen Begebenheiten verursacht, aber nicht ökonomisch gelöst werden können. Unsere Kritik an einer rein ökonomischen Analyse der Begebenheiten, soll allerdings nicht so verstanden werden, dass wir einer pluralistischen, relativierenden Analyse das Wort reden („Mir macht Berlin Spass“, „Mir ist die Wohnung zu teuer“, „Mir ist die Wohnung nicht zu teuer“), sondern einer politischen Einordnung der Kategorien und Analyseinstrumente.
Auf die dieser These zugrundeliegender Differenz von la politique und le politique wird abschließend und ausblickend eingegangen.
Stadt ist in diesem Text ein Sammelbegriff, der auf einen unpräzisen Raum hinweist und gleichzeitig ein von der herrschenden Ökonomie geformtes und von der Stadtpolitik reguliertes Gebilde bezeichnet.

Simon-Dach-Straße statt T-Modell

Die Stadt wurde in den „goldenen“ Jahren des Wohlfahrtsstaates BRD zunächst stärker als soziale Infrastruktur für die Reproduktion der Arbeitenden angesehen. Mit der neoliberalen Umstrukturierung der Gesellschaft in den 90er-Jahren wird die Ökonomisierung der Stadt sichtbarer. Gegenüber der fordistischen Gesellschaft gibt der Staat bestimmte Aspekte der Organisierung von Stadt an die Ökonomie ab. Diese Beobachtung bedeutet allerdings nicht, dass die wohlfahrtsstaatsliche Organisierung der Stadt ein wieder anzustrebender Zustand wäre.
Die stetige Öffnung sozialer Sektoren für den Markt ging in der neoliberalen Transformation einher mit einer zunehmenden Finanzialisierung der Ökonomie und ihrer Subjekte. Die ordnende Sozialpolitik stieg aus bestimmten Bereichen als direkter Akteur aus und wurde durch private Kapitalgeber_innen wie Banken ersetzt. Beispielhaft werden einerseits Studiengebühren erhoben, die der/die Einzelne durch Kredite von Banken tragen soll wodurch höhere Studiengebühren durch höhere Kredite bedient werden müssen, was dem Staat mehr Geld und den Kreditinstituten einen höheren Kapitalfluss beschert und dem/der Einzelnen ein größeres Risiko, dass das individuelle Unternehmen „Leben“ bankrott geht. Andererseits rückt durch die Finanzialisierung auf der Ebene der Makroökonomie der Immobilienmarkt als Anlagemöglichkeit für das freigelegte Kapital zunehmend in den Fokus. Städtisches Eigentum an Wohnungen wurde und wird zunehmend privatisiert und immer mehr Wohnungen befinden sich im Besitz von Fonds oder Investor_innen, welche diese als eine Kapitalanlage unter anderen ansehen. Steigendes Kapitalvolumen und die inneren Gesetze der Kapitalakkumulation führten zu zunehmender Schnelllebigkeit des Kapitalmarktes und diese dazu, dass die Kapitalgeber_innen immer schneller Rendite erwarten. Märkte werden dafür erkundet und festgestellt, wie groß die Gewinne sein könnten. In einer Stadt wie Berlin, in der die Mieten im Gegensatz zu anderen Großstädten niedrig sind, gibt es demnach deutliches Potential für Mietsteigerungen. Und in einer kapitalistischen Gesellschaft gilt es als Todsünde solche Potentiale nicht zu nutzen. Die Mieten steigen.

Ich wohn´ hier nur zur Miete

Das angesprochene Gewinninteresse tritt aber grundsätzlich nicht nur bei „anonymen Immobilienfonds“ und „Anleger_innen aus Skandinavien“ hervor, sondern immer bei dem grundsätzlichen Widerspruch von Wohnungsbesitzer_in und Wohnungsmieter_in. Während die Besitzenden versuchen ihren Profit durch Mietsteigerungen zu erhöhen, hat die/der Mieter_in ein Interesse an einer günstigen Wohnung. Wie die Produktionsmittel befinden sich auch die Wohnungen nicht im Besitz der Wohnenden, sondern sind von diesen abgetrennt. Dieses Verhältnis ist ökonomisch zwischen dem Arbeitsverhältnis und dem Kaufverhältnis anzusiedeln. Einerseits kann die/der Besitzer_in marxistisch gesehen nur aus der Ausbeutung von Arbeitskraft Mehrwert erzielen, andererseits sind aber Mieter_innen darauf angewiesen eine Wohnung zu mieten, während sie nicht unbedingt darauf angewiesen sind einen Kühlschrank zu kaufen. Wohnung ist also weder eine bloße Ware, deren Erwerb dem individuellen Geschmack folgen würde – Der Wohnungsbesitzende kann also mit einem anderen Druck kalkulieren als der Elektronikhändler – noch ist die eigene Wohnung die erste Zugangshürde auf dem Weg zu anderen Gütern. Selbstredend ist Vorsicht geboten, bei einer Übertragung marxistischer Begriffe wie Ausbeutung, Mehrwert usw. auf den „Mietwiderspruch“. Das spezifische Verhältnis zwischen Wohnung als Ware, als Reproduktionserfordernis oder als Mehrwerterzeugung ist je nach spezifischer historischer Situation der Stadt (Arbeitersiedlung versus angesagter Kiez) immer neu zu bestimmen.

Berlin ist AA+

Die Rolle der Politik ist es diese Eigentumsverhältnisse zu sichern und als ideeller Gesamtkapitalist das ökonomische Gebilde „Stadt“ zu vermarkten. Die Politik verschiebt ihr Aufgabenfeld von der direkten Bearbeitung sozialer Felder hin zu einer Sorge um den Standort „Stadt“. Es geht also darum, ob der Standort attraktiver für Investoren ist als andere Standorte. Am Erfolg in der Konkurrenz hängt nicht weniger als das Bestehen des städtischen Haushalts und der städtischen Ökonomie. Die ideologische Figur der knappen Kassen führt dazu, dass die einzelnen Regierungen streng daran gebunden sind, die Einnahmen zu erhöhen, d.h. die Stadt attraktiv für Investoren und Menschen mit höheren Einkommen zu machen und gleichzeitig die Ausgaben zu senken, d.h. die soziale Infrastruktur zu beschneiden. Bei einem Einhalten der ökonomischen Spielregeln bleibt also nur die Entscheidung zwischen Schuldenmachen, welches irgendwann in den Bankrott führt oder der weitergehenden neoliberalen Transformation. Deswegen ist es meist auch relativ beliebig, ob nun „linke“ oder „rechte“ Regierungen an der Macht sind. Heutige Politik kann es sich gar nicht mehr leisten eine Praxis außerhalb des „ökonomisch gebotenen Pragmatismus“ zu betreiben. Die Sinnlosigkeit von Alibi-Wahlen wird dabei offensichtlich.

Ein ganz besonderer Kiez

Die Standortkonkurrenz führt zum Interesse an exklusivem Flair und ganz besonderer Atmosphäre. Diese sollen gleichzeitig gefördert und verwertet werden, da in der kapitalistischen Stadt aus allem Wert herausgepresst werden muss. In Berlin läuft dies zum einen durch die Erzeugung eines bestimmten Images (Berlin ist kreativ) um damit bestimmte Wirtschaftszweige und Tourist_innen anzulocken. Berlin ist mit seiner starken Tourismus- und Kreativindustrie also ganz erheblich auf eine quasi kulturelle „Flair-Infrastruktur“ angewiesen.
Die Vermarktung des Flairs neigt allerdings dazu, diesen Flair wiederum zu zerstören. Die alleinige Ausrichtung der herrschenden Politik auf die Erzeugung von Einnahmen für den städtischen Haushalt durch die Fokussierung auf die großen Player und investitionsstarken Kapitalquellen beschneidet den Aktionsraum und Umsatzrahmen kleinerer Kapitalgruppen. Deswegen kommt es zum einen zu einem Konflikt der unterschiedlichen Kapitalfraktionen. Die Kreativindustrie wehrt sich beispielhaft im Megaspree-Bündnis gegen eine vorschnelle und kurzfristige Ausbeutung der „Flair“-Potentiale.
Vor einem solchen Verwertungsprozess scheinen also auch in einer kapitalistischen Stadt Kriterien (Ästhetik, Spass, Hippness) auf, die nicht absolut im Profitdenken aufgehen. Dies führt einerseits zu einer Befriedung nicht-konformer Individuen und andererseits zu einem potentiellen Konflikt dieser Individuen mit den herrschenden Ordnungsprinzipien von Markt und Staat. Die Reichweite dieser Konflikte lässt sich aber immer nur partikular bestimmen. Festzustellen ist aber auch, dass die mögliche „Unverträglichkeit“ immer weiter eingeebnet wird: von oben durch den forcierten Kampf gegen ökonomisch defizitäre Orte und Einrichtungen. Von unten durch die Aneignung der Standortlogik an deren Ende für die Rettung des noch nicht Verwerteten gerade im Dienste der allgemeinen Verwertbarkeit argumentiert wird („wenn wir gehen müssen wird’s hier langweilig und niemand bringt mehr Geld“).

In zwei Jahren sehe ich mich in New York

Flair ist das, was beim kaufen kaputt geht. Städtisches Flair ist das, was bei einer Sight-Seeing-Tour nicht gesehen wird und dennoch der Grund war nach Berlin zu kommen. Die postfordistische Stadt erzeugt gerade durch ihr Konglomerat an Milieus, der Pluralität der Lebenswelten und dem Aufbrechen ihrer lokalen Verortung in inhomogene Räume eine neue städtische Komplexität und komplexe städtische Subjekte.
Der Vorort mit großen Einkaufscentern für das aufsteigende Kleinbürgertum existiert parallel zu den hippen Innenstadtgegenden für die Kreativindustrie und ihr Klientel. Diese hippen und angesagten Kieze sind geprägt vom neuen mobilen, „jugendlichen“ Bürgertum. Kennzeichnend ist eine große Flexibilität, was durch das schnelle Wechseln von Städten und Wohnungen schnell steigende Mieten bzw. rasche Veränderungen von Stadtvierteln begünstigt.
Es ist die große Errungenschaft des Kapitalismus, dass er sich gegenüber unterschiedlichen Lebensentwürfen flexibel zeigt, dass er zu bestimmten Transformationen fähig ist. Nun ist es aber so, dass diese Transformationen niemals die spezifische grundlegende Funktionsweise antasten und das alle Lebensentwürfe auf ihre Nützlichkeit geprüft werden. Die Produktion von Ausgeschlossenen gehört ebenso dazu wie die Inklusion von anderen Anderen.
Die einzelnen Schichten entwickeln dabei jeweils ihre eigene Verblendungserzählung.
Gegen den befriedenden Pluralismus an Subkulturen, Lebensstilen und Ideologien, der von der herrschenden Administration locker gemanaged wird, müsste es einen Bruch der Majorität mit den Gesetzen von Staat und Kapital geben, die gegen die Prinzipien von Profit und Rentabilität agiert und aufhört, die ewige Wiederholung der Integration des/der Einzelnen in den kapitalistischen Gesamtkörper einzufordern.

Die Diktatur der Mieter_innen

Kritik an den hiesigen städtischen Verhältnissen und ihren Subjekten ist in der existierenden radikalen Linken häufig sozialrevolutionär. Die sozialrevolutionäre Kritik hat dabei analog zum Proletariat im klassischen Marxismus ein neues, revolutionäres Subjekt ausgemacht. Arme, denen es an sozio-ökonomischen Sicherheiten fehlt, Mieter_innen mit geringen Einkommen sollen, wie früher das Proletariat, ihre negativ privilegierte Stellung erkennen, ein quasi-revolutionäres Bewusstsein bilden und schlussendlich aktiv in den Kampf um die Stadt eingreifen. Dieser Kampf wird als eine Art Klassenkampf beschrieben. Die von Gentrification und Verarmung Betroffenen, deren Betroffenheitsgrad vor allem anhand der Höhe des Einkommens abzulesen sei, kämpfen hierbei aber nicht wie früher das Proletariat gegen den Besitzer ihrer Fabrik, sondern gegen eine ganze „Klasse“ von Leuten, die Mittel- und die Oberschicht. So vermischt sich die Beschreibung von Gentrifizierung mit Akteuren wie Pionieren, Bildungsbürgertum, usw. mit einem kämpferischen Klassenbegriff. Es geht dann nicht nur um den Kampf der Mieter_innen gegen ihre_n Vermieter_in, sondern auch um die Verteidigung des eigenen, armen Kiezes gegen die zugezogene Mittelschicht. Die Feinde sind klar zu benennen: Ökos und Yuppies raus.
Wir sehen das anders. Zum einen ist das Ziel nicht die Schaffung von armen Kiezen, in denen keine reichen Leute wohnen, sondern die Überwindung der Verhältnisse, die arm und reich hervorbringen. Dabei kann es nicht darum gehen, den Mittelstand auch in die Armut herunterzureißen oder nach Zehlendorf zu verdrängen, sondern die kapitalistische Formung der Gesellschaft und damit die soziale Schichtung abzuschaffen.
Zum anderen kann eine politische Bewusstwerdung durch verschiedene Faktoren angestoßen werden. Die Mittelschichtsjugendlichen, welche auf einer Demonstration von Polizist_innen geschlagen wurde, können sich ebenso politisieren, wie ein Mensch mit hoher Miete und geringen Einkommen. Natürlich haben die Menschen unterschiedliche (ökonomische) Interessen, so dass es hier zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Schichten bzw. Klassen kommen kann.
Der entscheidende Konflikt ist aber die Auseinandersetzung der Menschen mit den Gesetzen von Markt und Kapital in ihrer Funktionsweise in der bürgerlichen Demokratie und nicht der Kampf der Unterschicht gegen die Mittelschicht. Die Gesellschaft der Gewinner und Verlierer ist die Folge der kapitalistischen Ökonomie und nicht eine Verschwörung des bösartigen Mittelstandes. Dass es Gruppen in der Gesellschaft gibt, die unterschiedliche Funktionen und Privilegien haben, stimmt und es kann sinnvoll sein von Klassen zu reden wenn es um das Bewusstsein über die eigene ökonomische Position geht. Der Versuch einen Klassenbegriff nicht anhand zugrundeliegender Strukturen sondern an Lebensstil und Schicht zu aktualisieren, stellt aber eine Verkürzung der Analyse dar. Das üble Wirken kapitalistischer Prinzipien, zumindest implizit, auf das Auftreten einzelner Personengruppen zurück zu führen, ist eine ebenso gefährliche wie falsche Personalisierung gesellschaftlicher Konfliktursachen. Wenn es ums Ganze geht, kann der Kampf gegen eine Welt kapitalistischer Notwendigkeiten und Erscheinungen nicht als personalisierter oder ethnisierter Verteidigungskampf der eigenen Armut beginnen.
Wie an der Misere der postzaristischen Gesellschaft in Sowjetrussland ganz sicher nicht nur die Kulaken schuld waren, so sind die Yuppies in der neoliberalen Stadt Symbol und nicht Ursache der Gentrifzierung. Und: es lässt sich aus der stimmigen Beobachtung, dass der Kapitalismus zu einer massiven soziale Schieflage führt und es zu einem Nebeneinander von Menschen kommt, die extrem viel und anderen, die extrem wenig haben, noch kein revolutionäres Subjekt ableiten.
Der Gedanke, dass sich die Prekären durch die „Befreiung der Armut“ emanzipieren, ist nicht plausibel. Eine Befreiung von der Armut ist nicht gegen bestimmte Schichten oder Klassen zu erreichen, sondern nur gegen die gesamtgesellschaftlichen Ursachen der sozio-ökonomischen Antagonismen.

Warum hassen die Chaoten Berlin ?

Kritik kann und muss auch darüber hinaus gehen. Es stellt sich anschließend an die Kritik personalisierter Ursachenanalyse die besondere Frage nach imaginierten und konstruierten Identitäten. Diese werden in der Standortkonkurrenz ebenso brauchbar gemacht wie in kulturellen oder politischen Subkulturen. In Deutschland ist die Herausbildung einer nationalen Identität sehr wichtig für den sozialen Kitt der „Volksgemeinschaft“. Der Hauptunterschied zwischen der nationalen und der städtischen Identität ist nun zunächst einmal ihre Wirkmächtigkeit. Die nationale Identität ist ein zentrales Element der herrschenden Ideologie, die städtische wird eher für Imagepflege als für eine ernsthafte Verblendungserzählung benutzt. Sie wirkt nach außen eher als Anziehungspunkt denn als Grenze, ihre Funktion für das Innere ist beschränkter als die der nationalen Identität. Es sind mit ihr auch weniger Ausschlussmechanismen wie „Staatsbürgerschaft“ oder „Nationalgefühl“ verbunden.
Trotzdem ist die grundsätzliche Struktur ähnlich. Es handelt sich um die Konstruktion eines Kollektivs, welches errichtet wird um das soziale Gefüge herrschaftlich zu organisieren und eine Ideologie zu vermitteln. Die/Der Einzelne ist mit ihrer/seiner spezifischen Identität eher bereit für ihren/seinen Standort, also Deutschland oder Berlin zu leiden und sich unterzuordnen. Die herrschende Politik wendet einige Energie darauf Marketingstrategien zu finden um ein bestimmtes Bild der Stadt zu vermitteln.
In der realexistierenden Gesellschaft sind rassistische, sexistische oder anitmuslimische Ressentiments weit verbreitet. Sie werden hervorgerufen durch Identitätskonstrukte und verstärken diese im Umkehrschluss. Die Existenz dieser Identitäten strukturiert die Stadt, sie bildet Grenzen zwischen bestimmten Schichten oder Bevölkerungsgruppen. Der jeweilige Mehrheitsmob diskriminiert die jeweilig als abweichend betrachtete Lebensweise oder zugeschriebene Identität.
Auch im Kampf gegen die „Gentrifizierung“ werden bestimmte Identitäten und damit einhergehend Ressentiments produziert. So werden bestimmte Subkulturen politsch über andere gesetzt, auch wenn sich darin nur die eigene Identität und kein emanzipatorischer Impuls in Richtung einer „Stadt für alle“ abbildet. Die Auseinandersetzung mit Identitäten und den Ausschlüssen, die durch sie produziert werden, ist elementar, wenn politisch in der bestehenden identitären Gesellschaft gehandelt wird.

Vater Staat wird’s schon richten

Für die Überwindung der bis hierhin skizzierten Zustände mit einem Auge auf die etablierte Politik zu schielen wäre eine schlechte Idee.
Die herrschende Politik ist dem kapitalistischen movens, der Erzeugung von Mehrwert und Profit, verpflichtet. Sie sorgt mit ihrer Polizei für die Durchsetzung der rechtlich geordneten kapitalistischen Verfahrensweisen, sie sorgt mit Ideologie und scheinbaren Freiheiten für eine befriedete Gesellschaft und sie trifft die Entscheidungen und Investitionen, die von einzelnen Markteilnehmern nicht getroffen werden können. Im Wohnverhältnis setzt sie also die Interessen der Hausbesitzer_innen vertraglich fest und gewährleistet ihre Gültigkeit, zur Not mit Hausräumungen wie jüngst im Falle der Liebig 14. Außerdem sorgt sie sich um das Image der jeweiligen Stadt in der Standortkonkurrenz und versucht die Wirtschaft ans Laufen zu bringen.
Es ist falsch, von dieser Verwaltung des Herrschenden eine Veränderung der Strukturen oder eine Ausrichtung der Politik an den Bedürfnissen der Menschen in der Stadt zu erwarten. Allerdings sorgen sich die herrschenden Parteien gerade auch um befriedete Verhältnisse in den kapitalistischen Zentren. Das bedeutet, dass sie mitunter auf soziale Bewegungen reagieren und Transformationen stattfinden. Diese Transformationen lassen trotzdem die meisten Prinzipien des Bestehenden unangetastet.

Die politische Differenz

Das Ziel einer emanzipatorischen Bewegung sollte es sein die Mieten an sich in Frage zu stellen, mit der Hoffnung auf eine Überwindung des Bestehenden und dem Wissen, dass es bei einer starken Bewegung häufig zu einem Aufbrechen sedimentierter sozialer Verhältnisse kommen kann und damit zu einer Politisierung des angeblich Unveränderbaren.
Wir unterscheiden in unserer Begrifflichkeit zwischen der Politik und dem Politischen. Unter Politik verstehen wir den Verwaltungsapparat, der das Funktionieren der kapitalistischen Ökonomie sicherstellt und sich streng an die jeweiligen Gesetze von Markt, Gewinn und sozialer Schichtung hält. Die Politik sorgt sich um den reibungslosen Ablauf der kapitalistische Zurichtung der Gesellschaft.
Davon zu unterscheiden ist das Politische. Zum einen ist das Politische die Grundlegung der Politik, dass was nicht ausgesprochen wird. Die Politik ist damit das abgestorbene Politische bzw. es ist das Politische, welches aufgehört hat, politisch zu sein. Damit ist das Politische selbst die kontingente Herangehensweise an die sozialen Verhältnisse mit der grundsätzlichen Prämisse der Verhandelbarkeit und Emanzipation. Das Politische zum Vorschein zu bringen, bedeutet also die Politik zu untergraben, ihr das Fundament immer weiter zu entziehen. In bestimmten Situationen kann es allerdings notwendig sein eigene Grundlegungen aufzustellen, eine andere Politik zu betreiben um die herrschende Politik anzugreifen. Das Oszillieren zwischen dem Politischen und dem Eingreifen in die herrschende Politik ist eine notwendige Voraussetzung von Praxis, welche verändernd sein will.
Das Ziel einer revolutionären Stadtpolitik muss die grundsätzliche Verhandelbarkeit der gesellschaftlichen Regeln einfordern. Der Ausgangspunkt ist also die Kontingenz sozialer Verhältnisse und nicht ihre Reformulierung in ein erneutes Ausbeutungsverhältnis zwischen Mensch und Staat/Kapital. Radikale oder subversive Praxen können dabei als ein Schritt in Richtung Verhandlung gelten, weil sie mit bestehenden Normen brechen.

Am Ende der Stadt

Die conclusio ist eindeutig. Eine Stadt, in der Menschen selbstbestimmt und trotzdem kollektiv leben können und in der sie mit darüber bestimmten können, wie sich ihr Kiez entwickelt und neue Prozesse anstoßen können, kann es im Kapitalismus und der ihn umgebenden identitären Umgebung nicht geben. Deswegen ist eine Organisierung notwendig, welche sich zum Ziel setzt die soziale Sedimentierung zu politisieren und schlussendlich aufzubrechen. Eine Stadt für alle gibt es somit erst nach der Revolution. Den Prozess dahin kann es schon vorher geben.
Die Revolution ist das Ereignis, welches bricht mit den angeblich für immer geltenden Gesetzen. Sie kommt zum einen plötzlich und ohne direkte Notwendigkeit, sie ist andererseits vorbereitet und hat ihre Ursprünge in den Bewegungen, die sich den Rahmenbedingungen nicht mehr unterwerfen und sich nicht von der herrschenden Ideologie betäuben lassen.
Die Revolution ist kein kurzfristiges Ereignis, in dem es darum geht den Politikapparat zu übernehmen, ein paar Gesetze zu ändern und Herrschaft einfach so abzuschaffen. Sie ist ein unvorhersehbarer, sich selbst als kontingent begreifender bewusster Prozess kollektiv handelnder, sich selbst von den Verhältnissen emanzipierender Menschen.